Im Zuge der Hochwasserkatastrophe in Österreich im September 2024 wurden alleine in Niederösterreich 256 Straßen gesperrt (Quelle: noe.orf.at). Auch der Zugverkehr zwischen Wien und Linz kam einige Tage lang komplett zum Erliegen. Viele Menschen in Wien und Niederösterreich waren über diesen Zeitraum hinweg zuhause eingesperrt. Spätestens seit der Coronapandemie steht fest, dass besondere Situationen auch im Gesellschaftsrecht besondere Maßnahmen erfordern. Ein Umdenken, weg von Präsenzsitzung hin zu Online-Teilnahmen oder hybriden Mischformen, setzte ein. Im Virtuelle Gesellschafterversammlungen-Gesetz (BGBl I 79/2023) fand die Coronapandemie und ihre Auswirkungen auch gesetzlichen Niederschlag. Dieses Gesetz erstreckt sich jedoch nicht auf Sitzungen des Aufsichtsrats (diesbezgl. kritisch bereits Baumüller, Aufsichtsratsaktuell, 200 [204]). Für die Arbeit des Aufsichtsrates hat sich der gesetzliche Rahmen somit nicht verändert. Für den Aufsichtsrat war aber bereits bisher die Abwicklung von Sitzungen bzw. eine korrekte, unangreifbare Beschlussfassung ohne körperliche Präsenz möglich:

Qualifizierte Videokonferenz

§ 30g Abs 3 GmbHG bzw. § 92 Abs 3 AktG legen fest, dass „Beschlußfassungen durch schriftliche Stimmabgabe nur zulässig [sind], wenn kein Mitglied diesem Verfahren widerspricht. Dasselbe gilt für fernmündliche oder andere vergleichbare Formen der Beschlussfassung des Aufsichtsrats und seiner Ausschüsse.“ Der Gesetzgeber stellt damit klar, dass Beschlüsse nicht zwingend in Sitzungen mit körperlicher Anwesenheit gefasst werden müssen. In der neueren Literatur wird außerdem eine qualifizierte Videokonferenz einer körperlichen Anwesenheit gleichgehalten (vgl. Foglar-Deinhardstein in Foglar-Deinhardstein/Aburumieh/Hoffenscher-Summer, GmbHG², § 30g Rz 42 mwN). Voraussetzung dafür ist die für alle Sitzungsteilnehmer mögliche Erfassung von Mimik, Gestik sowie der Sprachmelodie der anderen Sitzungsteilnehmer. Das bedeutet, dass für alle Teilnehmer eine gegenseitige Hör- und Sichtbarkeit möglich sein muss. Zudem ist eine Störung durch unbefugte Dritte auszuschließen und muss die gleichzeitige Information aller Aufsichtsräte gewährleistet sein. Eine solche „qualifizierte Videokonferenz“ ermöglicht eine Beschlussfassung im Rahmen einer Sitzung ohne körperliche Anwesenheit. Ein Widerspruchsrecht anderer AR-Mitglieder besteht hierfür nicht (vgl. nur Kalss in Doralt/Nowotny/Kalss, AktG3 § 92 Rz 97 und § 93 Rz 4).

Stimmabgabe ohne Anwesenheit

Können, etwa aus technischen Gründen, die strengen Anforderungen an eine qualifizierte Videokonferenz nicht erfüllt werden, können § 30g Abs 5 bzw. § 92 Abs 5 AktG abhelfen. Demnach ist die „schriftliche, fernmündliche oder eine andere vergleichbare Form der Stimmabgabe einzelner Aufsichtsratsmitglieder […] zulässig, wenn die Satzung oder der Aufsichtsrat dies vorsieht“. Damit wird die Teilnahme an Abstimmungen des bei einer Sitzung abwesenden Mitglieds über andere Wege – etwa auch über Telefon oder in elektronischer Form – ermöglicht. Voraussetzung ist, dass Gesellschaftsvertrag bzw. Satzung diese Möglichkeit vorsehen oder der Aufsichtsrat dies beschließt. Das so zugeschaltete AR-Mitglied nimmt nicht an der Sitzung teil und ist daher zur Erfüllung eines etwaig notwendigen Präsenzquorums nicht zu berücksichtigen. Auch in diesem Fall steht dem einzelnen AR-Mitglied – sofern Gesellschaftsvertrag, Satzung oder der entsprechende Aufsichtsratsbeschluss nicht Gegenteiliges vorsehen – kein Widerspruchsrecht zu (vgl. Koppensteiner/Rüffler, GmbHG3 § 30g Rz 10a, Kalss in Doralt/Nowotny/Kalss, AktG3 § 92 Rz 110)

Zur Klarstellung der Möglichkeit der Teilnahme an einer online bzw. hybriden Sitzung des Aufsichtsrats im Wege der qualifizierten Videokonferenz empfehlen wir eine solche Regelung im Gesellschaftsvertrag bzw. in der Satzung des Aufsichtsrats mitsamt finalem Entscheidungsrecht zugunsten des Aufsichtsratsvorsitzenden zu verankern. Die dafür notwendigen technischen Voraussetzungen sollten ebenfalls vorgesehen werden. Sollten – etwa aufgrund kurzfristiger Notwendigkeiten oder generell fehlender technischer Rahmenbedingungen – die Voraussetzungen für eine qualifizierte Videokonferenz nicht geschaffen werden können, bietet sich eine Beschlussfassung der physisch anwesenden AR-Mitglieder spätestens zu Beginn der Sitzung an, die die Stimmabgabe der zugeschalteten Mitglieder ermöglicht. Für den Fall eines technischen Gebrechens könnte zusätzlich durch eine Stimmrechtsübertragung vorgesorgt werden. Unabhängig davon steht es dem Aufsichtsrat weiterhin frei, einen Beschluss über die Teilnahme per Videokonferenz zu fällen.

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